Dranginkontinenz: Was kann helfen?

Die Dranginkontinenz gehört zu den häufigeren Arten der Harninkontinenz. In diesem Beitrag erfahren Sie alles rund um die Entstehung, die typischen Symptome und die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten der Dranginkontinenz.

Inhalte

Was ist eine Dranginkontinenz?

Von einer Dranginkontinenz sprechen Mediziner, wenn ihre Patienten unter Harnverlust in Verbindung mit einem plötzlich auftretenden und sehr starken Harndrang leiden. Dabei funktioniert der Sphinktermuskel (Schließmuskel) zum Verschluss der Harnröhre in der Regel problemlos. Vielmehr sind es die Signalgeber im Gehirn und rund um die Blase, die Probleme machen und zu einer Harninkontinenz führen.

Bei Männern ist die Dranginkontinenz insgesamt die häufigste Form der Harninkontinenz. Jüngere Frauen leiden häufiger unter einer Belastungsinkontinenz, ab einem Alter von etwa 50 Jahren ist aber auch bei ihnen die Dranginkontinenz häufiger [1,2]. 

Etwa ein Drittel aller Menschen mit einer überaktiven Blase leiden unter einer Dranginkontinenz [3]. Diese kann zusammen mit einer Belastungsinkontinenz auftreten und eine sogenannte Mischharninkontinenz bilden. [4]

Leiden Sie an häufigem Harndrang?
Müssen Sie plötzlich und sehr häufig zur Toilette, kann das ein Zeichen für eine überaktive Blase sein. Hier lesen Sie mehr über häufigen Harndrang und was dahinter stecken kann.

Was ist der Unterschied zwischen einer Belastungs- und einer Dranginkontinenz?

Bei einer Belastungsinkontinenz, früher als Stressinkontinenz bezeichnet, verschließt der Sphinkter die Harnröhre nicht mehr fest genug. Der Sphinkter ist verbunden mit der Beckenbodenmuskulatur. Kommt Druck auf den Bauchraum und dadurch auf den Beckenboden, wie zum Beispiel beim Husten, Niesen oder Heben schwerer Lasten, kann Urin verloren gehen. 

Bei einer Dranginkontinenz funktioniert der Sphinkter einwandfrei, aber der Blasenmuskel zieht sich während der Speicherphase zusammen, sodass der Blasendruck stärker ist als der Sphinkter schließen kann. [4]

Welche Symptome deuten auf eine Dranginkontinenz hin?

Das wichtigste Kennzeichen einer Dranginkontinenz ist der ungewollte Verlust von Urin in Zusammenhang mit einem starken und unkontrollierbaren Harndrang. Dieser wird aufgrund seiner Dringlichkeit oft auch als imperativer Harndrang bezeichnet. 

Bei der überaktiven Blase mit oder ohne Dranginkontinenz können Betroffene außerdem unter häufigem und nächtlichem Harndrang (Nykturie) leiden [5]. Die Menge des Harnverlusts ist unterschiedlich und kann von wenigen Tropfen bis hin zur vollständigen Entleerung der gesamten Harnblase reichen [3].

Welcher Arzt hilft bei Dranginkontinenz?

Erste Ansprechpartner bei Problemen mit der Harnblase und der Kontinenz sind immer die Hausärzte. Frauen können sich außerdem an ihre gynäkologische Praxis wenden. Ansprechpartner für alle Geschlechter sind außerdem Urologen und spezielle Kontinenz-Zentren.

Woher kommt eine Dranginkontinenz?

Eine Dranginkontinenz kann die Folge verschiedener Erkrankungen im Bereich der Harnblase, der Harnröhre und des kleinen Beckens sein. So geht zum Beispiel eine Blasenentzündung häufig mit dem typischen imperativen Harndrang einher. Aber auch Entzündungen an den anderen im kleinen Becken liegenden Organen können die Kontrolle über die Blase und die Kontinenz beeinträchtigen. [4]

Letztendlich ist die Ursache für diese Form der Inkontinenz meistens ein überaktiver Blasenmuskel, der sogenannte Detrusor. Er zieht sich unwillkürlich zusammen, obwohl die Betroffenen noch gar nicht so weit sind, und überwindet damit den willkürlichen Verschluss der Harnröhre durch den Sphinkter. Häufig ist auch eine übersensible Blase an der Entstehung beteiligt [2].

Was kann man bei einer Dranginkontinenz tun?

Zunächst: Dranginkontinenz ist behandelbar. Die Therapie erfolgt als sogenannte Stufentherapie. Das heißt, dass die Ärzte mit leichten Maßnahmen anfangen und die Interventionen bei Bedarf immer mehr steigern. Dadurch müssen Sie nicht gleich Medikamente nehmen, wenn Ihre Beschwerden auch durch einfache Veränderungen deines Trink- und Toilettenverhaltens verschwinden können. [2]

Veränderungen des Lebensstils bei Dranginkontinenz

Aus dem zur Diagnostik erstellten Miktionsprotokoll leiten die Ärzte konkrete Ziele für ein Blasentraining ab. Die Abstände zwischen den Toilettengängen werden mittels des Blasentrainings verlängert bzw. ausgedehnt. Ziel ist es, dass Betroffene ruhig und ohne Urinverlust zur Toilette gehen. [2]

Hier liest du mehr über das Blasentraining.

Zu den sogenannten Lebensstil-Interventionen in Bezug auf eine Dranginkontinenz gehören auch das Abnehmen sowie der Verzicht auf Nikotin und Koffein. Alle diese drei sind mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen Harndrang mit Urinverlust verbunden. Dementsprechend können sich Ihre Symptome durch den Verzicht verbessern. [2]

Physiotherapie und Beckenbodentraining

Zu den wichtigsten Therapien bei einer Dranginkontinenz gehört die Verhaltenstherapie. Diese beinhaltet unter anderem physiotherapeutische Elemente. Das gezielte Wahrnehmen der Beckenbodenmuskulatur sorgt auch dafür, dass Sie die Muskeln vor Ort gezielt an- und entspannen können – eine wichtige Voraussetzung für das aktive Blasentraining.

Welche Medikamente helfen bei der Dranginkontinenz?

Bei der medikamentösen Therapie einer Dranginkontinenz gibt es mehrere Möglichkeiten:

  1. Vor allem ältere Personen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen profitieren oft von einer lokalen Behandlung mit Östrogen. Diese senkt die Häufigkeit des Harndrangs und hat kaum Nebenwirkungen. [4]
  2. Sogenannte Antimuskarinika hemmen die Aktivierung des Blasenmuskels (Detrusor) und lindern damit die Beschwerden einer Dranginkontinenz. [2]
  3. Beta-Rezeptoragonisten hemmen ebenfalls die Aktivierung des Blasenmuskels und sind in etwa genauso wirksam wie Antimuskarinika. [2]

Minimalinvasive Eingriffe bei Dranginkontinenz

Neben der Einnahme von Medikamenten können diese auch direkt in flüssiger Form in die Harnblase eingebracht werden. Das hat den Vorteil, dass sie nicht im ganzen Körper wirken und dadurch weniger Nebenwirkungen verursachen. Dabei gibt es mehrere Ansätze:

  • Blasenmuskel desensibilisieren: Capsaicin oder Resiniferatoxin erhöhen die Blasenkapazität.
  • Innere Schutzschicht der Harnblase wiederherstellen: Heparin, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Pentosanpolysulfat stärken den natürlichen Schutz von innen.
  • Blasenmuskel hemmen: Oxybutynin, ein Antimuskarinikum, wirkt ausschließlich vor Ort.
  • Blasenmuskel lähmen: Botulinumtoxin A--Injektionen in den Blasenmuskel verringern die zu starke Aktivität des Blasenmuskels.
  • Elektrische Stimulation des Nervus tibialis im Rückenmark (Höhe S2 bis S4): Eine Hemmung der überaktiven parasympathischen Nerven wird erzielt. [5]

Operationen bei Dranginkontinenz

Eine Operation kann der letzte Ausweg sein, wenn die bisherigen Therapieansätze keinen Erfolg hatten und die Dranginkontinenz auch nach verschiedenen konservativen Maßnahmen, medikamentösen Therapien und minimalinvasiven Eingriffen noch immer besteht. Am häufigsten werden folgende Operationen durchgeführt:

  • Sakrale invasive Neuromodulation: Mittels Elektroden werden die entsprechenden Nerven in Höhe des Kreuzbeins beeinflusst und damit die Hyperaktivität der Blase gehemmt.
  • Blasenkatheter: Die Ableitung des Harns über einen Katheter anstatt in die Harnblase erlaubt dessen Entleerung je nach Bedarf.
  • Erweiterung der Harnblase: Durch die Erweiterung der Harnblase mit Darmgewebe steigt die Blasenkapazität, sinkt der Blasendruck und die Kontinenz verbessert sich. [5]

Quellen

[1] https://www.aerzteblatt.de
[2] Favero, T.P., Bach, T. Stufentherapie bei Dranginkontinenz. Uro-News 22, 40–44 (2018). https://doi.org 
[3] Michel, M., Thüroff, J., Janetschek, G., Wirth, M. (2016). Die Urologie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg.
[4] http://kontinenzgesellschaft.at
[5] Gust, K., Bartsch, G., Haferkamp, A. (2014). Funktionsstörungen des unteren Harntraktes. In: Hautmann, R., Gschwend, J. (eds) Urologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org