Mischinkontinenz: Symptome, Ursachen und Therapie

Bei einer Mischinkontinenz kommen die typischen Symptome der Belastungs- und der Dranginkontinenz zusammen. Das macht sie komplex und schwerer zu behandeln. Trotzdem gibt es Therapieoptionen.

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Die Definition der Mischinkontinenz

Die Medizin unterscheidet bei der Harninkontinenz unter anderem zwischen der Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz) und der Dranginkontinenz. Treten beide gleichzeitig auf, stellen Ärzte die Diagnose Mischinkontinenz. Typisch dafür ist die Kombination aus unwillkürlichem Harnverlust bei körperlicher Anstrengung und einem starken Harndrang, der sich nicht aufschieben lässt. [1]

Typische Symptome bei Mischinkontinenz

Bei der Mischinkontinenz ist – wie bei allen Inkontinenzarten – der unwillkürliche Harnverlust das Kernsymptom. Dieser tritt in verschiedenen Situationen auf:

  • bei körperlicher Anstrengung, beim Husten, Niesen etc.
  • unabhängig von der Aktivität im Rahmen eines imperativen (unkontrollierten) Harndrangs

Anders als bei einer Belastungsinkontinenz können Betroffene mit einer Mischinkontinenz nicht abschätzen, wann sie mit Harnverlust rechnen müssen. Die Drangsymptomatik kann jederzeit und ohne Vorwarnung auftreten. Das macht diese Form der Harninkontinenz besonders belastend. [2]

So erfolgt die Diagnose Mischinkontinenz

Erste Anlaufstelle bei Problemen mit der Kontinenz ist die Hausarztpraxis. Hausärzte überweisen betroffene Männer in der Regel zu einer Fachpraxis für Urologie. Das ist auch für Frauen eine Option. Für sie gibt es aber auch gynäkologische Praxen, die sich mit Harninkontinenz auskennen, diese diagnostizieren und behandeln. [2]

Im ersten Schritt erfragen Ärzte die Gewohnheiten und Verhaltensweisen rund um das Wasserlassen. Auch die Krankheitsgeschichte sowie frühere Schwangerschaften und Geburten spielen eine wichtige Rolle. Wurde bereits ein Miktionstagebuch geführt, sollte dieses zum Diagnosegespräch mitgebracht werden. Anschließend werden diverse diagnostische Maßnahmen durchgeführt, wie beispielsweise Fragebögen und die Untersuchung des Urins. Somit können Harnwegsinfektionen ausgeschlossen werden. Verbleiben erste Therapieansätze erfolglos, können sogenannte urodynamische Untersuchungen durchgeführt werden. Sie geben Aufschluss darüber, welcher Teil der Blase und umliegenden Strukturen Probleme bereitet. [1]

Wie entsteht Mischinkontinenz?

Eine Mischinkontinenz entsteht nicht von heute auf morgen. Frauen leiden manchmal aufgrund eines durch Geburten geschwächten Beckenbodens unter einer Belastungsinkontinenz. Kommen mit zunehmendem Alter weitere Komplikationen und dadurch plötzlicher Harndrang hinzu, entsteht eine Mischinkontinenz. Auch nach einer Operation bei Belastungsinkontinenz kann es mitunter zu einer neu auftretenden Drangsymptomatik kommen. Bei Männern tritt die Mischinkontinenz selten auf. [2]

Therapie und Behandlungsmöglichkeiten bei Mischinkontinenz

Zuerst wird die Inkontinenzart behandelt, unter der die Betroffenen am meisten leiden. In den meisten Fällen ist dies die Dranginkontinenz oder eine überaktive Blase. Die Therapie erfolgt – genau wie bei einer reinen Drang- oder Belastungsinkontinenz – stufenweise. Das heißt, dass erst konservative Therapiemethoden wie Verhaltensänderungen angewendet werden. Bringen diese keine (ausreichende) Besserung, können Medikamente zum Einsatz kommen. Erst wenn diese nicht mehr helfen, kann über eine Operation nachgedacht werden. [3]

Konservative und Verhaltenstherapie bei Mischinkontinenz

Konservative Therapien bei Harninkontinenz haben den Vorteil, dass sie keine Nebenwirkungen haben. Sie erfordern einen moderaten Zeitaufwand und Geduld. Die meisten von ihnen verringern sowohl den Urinverlust bei körperlicher Anstrengung als auch die Stärke und Häufigkeit des imperativen Harndrangs. Wie erfolgreich sie sind, ist unterschiedlich. Das hängt von der Vorgeschichte und der Stärke der Mischinkontinenz ab. [3]

Typischerweise besteht eine konservative Therapie bei Mischinkontinenz aus drei Teilen: [3]

  1. Blasentraining hilft, die Abstände zwischen den Toilettengängen zu verlängern.
  2. Beckenbodentraining schützt vor Urinverlust bei körperlicher Belastung und stabilisiert die Blase im Becken.
  3. Änderungen des Lebensstils reduzieren den imperativen Harndrang und den Druck auf die Harnblase.

Folgende Verhaltensweisen und Verhaltensänderungen helfen erwiesenermaßen, die Symptome einer Mischinkontinenz zu reduzieren:

  • Gewichtsreduktion bei Übergewicht
  • Koffeinkonsum einschränken
  • Trinkmengen anpassen
  • Verzicht auf scharfe Gewürze, Süßstoffe und Getränke mit Kohlensäure
  • Verzicht auf Tabakprodukte mit Nikotin
  • Vermeidung von Verstopfung [3]

Medikamente gegen Mischinkontinenz

Zur Behandlung der Mischinkontinenz mit Medikamenten kommen die gleichen Mittel zum Einsatz, die auch bei Dranginkontinenz verschrieben werden: 

  • Lokale Hormontherapie mit Östrogenen: Während der Wechseljahre und danach sinkt der Östrogenspiegel bei Frauen, was eine Belastungsinkontinenz begünstigen kann. Bei lokal angewendeten Zäpfchen und Cremes wirkt das Östrogen vaginal und umgeht damit den Weg durch den gesamten Körper. Die Rezeptoren der Harnröhre können sensibilisiert und die Spannkraft der Harnröhrenmuskulatur verbessert werden.
  • Anticholinergika: Diese Wirkstoffgruppe senkt die Erregbarkeit der Blasenmuskulatur und verringert damit Drangsymptome und Dranginkontinenz. Ihre Einnahme hat allerdings Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Verstopfung und Sehstörungen sind typische Begleiterscheinungen.
  • Beta-Adrenorezeptoragonisten – Mirabegron: Auch dieser Wirkstoff macht die Blase unempfindlicher und hilft gegen den imperativen Harndrang und die Dranginkontinenz bei überaktiver Blase und Mischinkontinenz. Er wirkt vergleichbar mit Anticholinergika, hat aber weniger Nebenwirkungen. [3]

Gegen Belastungsinkontinenz gibt es bisher kaum wirkungsvolle Medikamente. Hier ist nach wie vor ein umfangreiches und regelmäßiges Beckenbodentraining der wichtigste Bestandteil der Therapie. Wer unter einer Mischinkontinenz leidet, kann sich nicht allein auf Medikamente verlassen. Auch wenn diese den imperativen Harndrang abmildern können, sind sie nicht in der Lage, die Kontinenz wiederherzustellen.

Wann ist eine Operation bei Mischinkontinenz sinnvoll?

Es gibt mehrere Operationen, die bei Mischinkontinenz infrage kommen:

  • Schlingenoperationen stabilisieren die Harnröhre und sorgen für einen sicheren Verschluss bei körperlicher Belastung. Bei einer Mischinkontinenz helfen sie vor allem bezüglich der Belastungsinkontinenz. Die Dranginkontinenz können sie hingegen nur in etwa der Hälfte der Fälle verbessern. Die Effektivität der Operation nimmt im Laufe der Zeit stark ab: Nach sechs bis acht Jahren liegt die Erfolgsquote bei etwa 30 Prozent. [2, 3]
  • Mithilfe sogenannter Bulking Agents kann die Harnröhre operativ abgepolstert werden. Auch dieser Eingriff stabilisiert die Harnröhre und verbessert dadurch die Kontinenz bei körperlicher Belastung. Studien sehen die Erfolgswahrscheinlichkeit hier bei etwa 60 bis 90 Prozent. [3]
  • Die operative Botulinumtherapie wird vor allem zur Behandlung der Dranginkontinenz eingesetzt. Hier erzielt das Spritzen von Botulinumtoxin in die Blasenwand sehr hohe Erfolge. Studien zur Anwendung bei Mischinkontinenz gibt es keine. Außerdem ist die Wirkung auf einen Zeitraum von etwa neun Monaten begrenzt. [3]

Ob und welche Operation bei einer Mischinkontinenz sinnvoll ist, können Ihre Ärzte, die die Symptome und den Krankheitsverlauf kennen, einschätzen. Generell gilt: Die meisten Operationsmethoden für Harninkontinenz sind mittlerweile gut erforscht und erprobt. Sie sind aber kein Allheilmittel und gehen mit einem gewissen Risiko einher. [3]

Quellen

[1] Gust, K., Bartsch, G., Haferkamp, A. (2014). Funktionsstörungen des unteren Harntraktes. In: Hautmann, R., Gschwend, J. (eds) Urologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-34319-3_6

[2] Frohme, C. (2016). Klassifikation und Pathophysiologie der weiblichen Harninkontinenz. In: Michel, M., Thüroff, J., Janetschek, G., Wirth, M. (eds) Die Urologie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-39940-4_82

 [3] Perucchini, D., Betschart, C., Fink, D., Scheiner, D. (2016). Management der Mischinkontinenz: Schritt für Schritt zum Erfolg – Diagnostik, Therapie, Beratung. Schweizer Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Praxis. 21. 15-20. https://www.rosenfluh.ch/media/2016/03/Management-der-Mischinkontinenz.pdf